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Buch der Gleichnisse
Liber Primum
Liber Secundum
Liber Tertium


I
Einst schlief ich einen tiefen Schlaf,
doch öffneten sich die Tore der Goldenen Stadt,
vor meinen Augen traten die Getreuen des Lichtes hervor.
II
?Merk auf?, sprachen sie, vom Lichte umhüllt?
und gib getreulich Zeugnis über unsre Worte,
nur einmal werden sie Dir offenbart werden?
III
So öffnete ich meinen Geist für die Worte,
die ihrem strahlenumkränzten Mündern entsprangen,
Und barg sie tief in meinem Herzen.
IV
So begann der Erste zu sprechen,
und nachdem er geendet hatte,
nahm ein andrer seinen Platz ein
V
So sind hier ihre Worte getreulich verzeichnet,
auf das sie ein Jeder merke,
Und sich zum Beispiel nehme:
VI
Suchet einander
Haltet einander
Steht einander bei
Niemals wieder kann euch dann etwas in die Tiefe reißen.
VII
Kannst du kein Stern am Himmel sein,
so sei eine Lampe im Haus.
VIII
Wer heut' noch hoffen macht, der lügt!
Doch wer die Hoffnung tötet, ist ein Schweinehund.

IX
Wer die Geheimnisse des Bettes verrät,
verdient die Liebe nicht.

X
Die größten Menschen sind jene, die anderen Hoffnung geben können.
XI
Es ist leichter, alle zu lieben als einen.
Die Liebe zur ganzen Menschheit kostet gewöhnlich nichts als eine Phrase;
die Liebe zum Nächsten fordert Opfer.

XII
Mensch: das Lebewesen,
das die Zeit totschlägt,
bis sie sich revanchiert.

XIII
Es ist besser, Deiche zu bauen,
als darauf zu hoffen,
dass die Flut allmählich Vernunft annimmt.

XIV
Nie vom andern Dank erwarten,
aber immer selbst dankbar sein können,
das ist das Privileg einer recht gebauten Seele.

XV
Liebe ist der Wunsch,
etwas zu geben,
nicht zu erhalten.
XVI
Enthaltsamkeit ist das Vergnügen an Sachen,
welche wir nicht kriegen.
XVII
Hoffnung ist wie ein Pfad.
Am Anfang existiert er noch nicht,
er entsteht erst,
wenn viele Menschen den gleichen Weg gehen.
XVIII
Bitte um Bahamuths Segen für Deine Arbeit,
erwarte aber nicht,
dass er sie auch noch tut.

XIX
Es gibt einige Freundschaften,
die im Himmel beschlossen sind
und auf Erden vollzogen werden.
XX
Der Zorn ist der Weg zum Hass,
an der Tafel des Triumphes
darf er keinen Platz finden.
XXI
Lass die Toten schlafen,
und mach die Lebendigen glücklich.
XXII
Begegnet uns jemand, der uns Dank schuldig ist,
gleich fällt es uns ein.
Wie oft können wir jemand begegnen,
dem wir Dank schuldig sind, ohne daran zu denken.

XXIII
Lass dich gut beraten,
bevor du beginnst;
doch wenn du dich entschieden hast,
handle sofort!

XXIV
Wer sich zu wichtig für kleine Arbeiten hält,
ist oft zu klein für wichtige Arbeiten.

XXV
Macht besitzen und nicht ausüben ist wahre Größe.
XXVI
Wenn man sich von den Bergen entfernt,
so erblickt man sie erst recht in ihrer wahren Gestalt;
so ist es auch mit Freunden.
XXVII
Nicht das Genie ist 100 Jahre seiner Zeit voraus,
sondern der Durchschnittsmensch ist um 100 Jahre hinter ihr zurück.
XXVIII
Weibliche Nacktheit muss man den Männern mit dem Teelöffel geben,
nicht mit der Schöpffkelle.

XXVIV
Wenn du eine Stunde lang glücklich sein willst, schlafe.
Wenn du einen Tag glücklich sein willst, geh fischen.
Wenn du ein Jahr lang glücklich sein willst, habe ein Vermögen.
Wenn du ein Leben lang glücklich sein willst, liebe deine Arbeit.
XXX
Erfahrung vermehrt unsere Weisheit,
verringert aber nicht unsere Torheiten.

XXXI
Wenn man genug Erfahrung gesammelt hat,
ist man zu alt,
um sie auszunutzen.

XXXII
Wer sich selbst anspornt,
kommt weiter als der,
welcher das beste Ross anspornt.
XXXIII
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
der täglich sie erobern muß.

XXXIV
Die Erfahrung ist wie eine Laterne im Rücken;
sie beleuchtet stets nur das Stück Weg,
das wir bereits hinter uns haben.
XXXV
Die Kraft eines Riesen zu besitzen ist wunderbar.
Sie wie ein Riese zu gebrauchen ist Tyrannei.
XXXVI
Wer eine unglückliche Liebe in Alkohol ertränken möchte,
handelt töricht.
Denn Alkohol konserviert.
XXXVII
Freude an der Arbeit läßt das Werk trefflich geraten.
XXXVIII
Ein Pessimist ist ein Mensch,
der sich über schlechte Erfahrungen freut,
weil sie ihm recht geben!

XXXIX
Nichts ist nachgiebiger als das Wasser,
Doch der stete Strom der Wogen,
Trägt langsam aber sicher das Kliff ab
So wisse, dass Du nicht alles allein erreichen musst.
XL
Der Einarmige kann Schafe hüten,
der Taube Schwerter schmieden,
aber wem nutzt der Tote?
So lasse nie den Hass deine Klinge leiten.
XLI
Ein verlorenes Leben,
Alles Gold der Berge,
Alles Salz der Meere,
vermag es nicht zurückzukaufen.
So verschwende nie ein Leben leichtfertig.
XLII
Mit dem Menschen verhält es sich wie mit einem Schössling auf dem Felde:
Umgeben vom Unkraut der Finsternis wird er stets klein bleiben,
doch jätet man dieses erhebt er sich empor zu ungeahnter Größe.
So danke stets dem Lichte, Mensch, das dich emporhob zu deiner Größe.
XLIII
Die Finsternis schleicht sich in dein Herz wie der greise Mann,
mit kleinen Schritten, und scheinbar ohne großen Eifer.
Doch langsam aber sicher wird er sein Ziel erreichen
So hüte dich schon vor dem ersten Schritt zur Finsternis.
XLIV
Terwans Korn mit einer Sichel zu ernten scheint unmöglich,
Doch Schnitt für Schnitt nähert man sich dem Ziel,
und es wird genug geschnitten sein für alle die Hungern.
So sei mutig, und fürchte nicht die große Aufgabe.
XLV
Schon der Schein einer Kerze vertreibt das Dunkel,
und ihr Licht spendet Sicherheit und Wärme
doch nie wird die Dunkelheit das Licht ersticken können.
So wisse, dass selbst die größte Finsternis leicht zerstört werden kann
XLVI
Nach oben zum Lichte empor wächst alles schöne,
Bäume und Tiere und Korn
Unter Steinen in der Finsternis verbirgt sich grässliches,
Moder und Asseln und Ungeziefer.
So hüte dich vor dem, was das Licht scheut, denn es hat Grund dazu.
XLVII
Der Lügner wittert hinter jedem Wort Verrat, und ist bang in seiner Seele
Der Wahrhaftige sieht Treue in den Andren, Sein Herz geht über vor Freude
So gräme dich nicht, lebe
XLVIII
Allein kann keiner stark im Lichte sein,
Und so wurde schon einstmals Nandur dessen Seele in der Einsamkeit bang war eine Gefährtin gesandt, um ihn ruhig zu betten.
So suche die wahre Liebe, die deine Seele beruhigt.
XLIX
Das Schachspiel wird nicht entschieden,
durch das schnelle bewegen der Figuren,
sondern durch das geschickte.
So sei stets besonnen, und eile nicht ohne Not.
L
Wie der Löwenzahn ist die Finsternis.
Der leichte Samen wird von jedem Windhauch getragen,
Die Wurzeln reichen mehr als einen Fuß tief.
So unterschätze nie eine Gefahr ihrer scheinbaren Größe wegen
LI
Kaum sichtbar ist der Kern des Apfels,
am Boden wird er in die Erde getreten.
Doch erwächst aus ihm ein Baum, der viele zu nähren vermag.
So sieh stets im Kleinen das Große, das es zu erreichen mag
LII
Durch ein zerbrochenes Glas kann man nicht schauen,
es verzerrt alles ins Grässliche.
Doch schneidet es schärfer als jede Klinge.
Sieh also über dem Unvollkommenen stets die versteckte Vollkommenheit
LIII
Licht bringt Erkenntnis. Erkenntnis zeigt Stärke und Schwäche.
Ist Schwäche aber erkannt, ist sie nicht mehr, was sie war.
Erkenne deine Schwäche und erreiche dadurch deine Kraft.
Denn Schwäche ist nur solche, die nicht erkannt wird.
LIV
Vieles Wurde Dir gesagt,
doch eines ist wichtiger als alles andre,
dies halte stets in deinem Herzen
LV
Suchet einander
Haltet einander
Steht einander bei
Niemals wieder kann euch dann etwas in die Tiefe reißen.
LVI
Also sprach der Letzte der Lichten,
und gemeinsam verneigten sie sich vor mir,
beugten ihr Knie und Sprachen:
LVII
?Würdiger, Ehre sei Dir,
der Du für wert erachtet wurdest,
solcherlei zu den Irdischen zu tragen.
LVIII
Große Ehre wurde Dir zuteil,
die nie zuvor einem Sterblichen
wir erwiesen haben.?
LIX
So wandten sie sich um,
und wie ein großer Vorhang
schlossen sich die Tore der goldenen Stadt.
LX
Ich aber erwachte voller Stolz
und schrieb ihre Worte getreulich wieder,
fügte nichts hinzu und ließ nichts weg.


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